«Politik hat viel mit Vertrauen zu tun.»

Grusswort zum Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag vom 15. September 2019 / Es gilt das gesprochene Wort.

«Heiliger Antonius von Padua, gib mir, was ich verloren hab.»

Liebe Anwesende aus den Kirchen der Ökumene, geschätzte Damen und Herren! Bestimmt kennen die einen oder anderen von Ihnen dieses Stossgebet aus Situationen mit nicht auffindbaren Schlüsseln, Brillen und so weiter. Solche Erfahrungen müssen sich allerdings nicht auf den Alltag beschränken. In der Religion oder Kirche kann es vorkommen, dass jemand den Glauben verliert… und hoffentlich wieder findet. Verlieren – finden: So lautet auch das Motto zum heutigen eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag. Und weil es sich dabei um einen staatlichen Feiertag handelt, darf ich Ihnen im Namen des Stadtrates einmal mehr ein kurzes Grusswort zum Thema überbringen.

Verlieren gibt es auch in der Politik. So kann eine Partei Wähleranteile verlieren und bei den nächsten Wahlen wieder zum Erfolg zurückfinden. Oder die Mehrheit für ein politisches Geschäft geht verloren und führt zu einer neuen Lösungsfindung. Politik hat viel mit Vertrauen zu tun. Politikerinnen und Politiker können Vertrauen schaffen, indem sie das Allgemeinwohl über das eigene stellen; indem sie verständlich kommunizieren, den richtigen Ton finden und umstrittene Entscheide erklären. Das gilt im Übrigen auch für die kommende Abstimmung.

A propos Allgemeinwohl. Als Ressortvorsteher Bildung und Soziales setze ich mich unter anderem für Chancengerechtigkeit ein. Das fängt bei der Frühen Förderung an und führt bis zur gesellschaftlichen Integration von Benachteiligten. Auch Gehörlose und Schwerhörige sind leider oft benachteiligt und es braucht bestimmt immer wieder viel Kraft, dass sie den Mut nicht verlieren und ihren Weg in Familie, Gesellschaft und Beruf finden können. Wie beschwerlich dieser Weg sein kann, habe ich am Rande über einen guten Studienkollegen mit schwerhörigen Eltern erfahren. Was es aber wirklich bedeutet, kann ich wie alle anderen Hörenden nur erahnen.

Liebe Gehörlose und Schwerhörige: Ich entbiete Ihnen meinen Respekt und wünsche Ihnen weiterhin viel Kraft! Kraft braucht es auch, wenn jemand mit einem grossen Verlust konfrontiert ist; wenn ein Familienmitglied verstorben ist; oder wenn eine langjährige Beziehung in die Brüche gegangen ist. Dann kann es lange dauern, bis man wieder seinen Tritt findet. Es kommt jedoch auch vor, dass sich ein empfundener Verlust später als Chance oder gar Gewinn herausstellt. Zum Beispiel wenn jemand seinen Job verliert und dann eine bessere Anstellung findet. So hat der französische Autor André Gide festgestellt, dass der Mensch nicht zu neuen Ufern aufbrechen kann, wenn er nicht den Mut aufbringt, die alten zu verlassen.

Nach diesen eher ernsten Gedanken komme ich abschliessend zur Auflockerung nochmals auf das Alltagsbeispiel zurück. Denn was sagen die Glücklichen, nachdem sie den Heiligen Antonius von Padua angerufen und den Schlüssel oder die Brille wieder gefunden haben? «Gott sei Dank!»

Geschätzte Anwesende! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen allen im Namen des Stadtrates einen besinnlichen Dank-, Buss- und Bettag.

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