«Ich erinnere mich nicht, irgend jemanden bevorzugt zu haben.»

Grusswort zum Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag vom 17. September 2017 / Es gilt das gesprochene Wort.

«Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.»

Liebe Vertretende aus den Kirchen der Ökumene, geschätzte Damen und Herren! So lautet der erste Vers des Gebets von Bruder Klaus, welches möglicherweise alle unter Ihnen kennen. Ich habe dieses Gebet damals im Religionsunterricht gelernt und offenbar haben sich diese Zeilen in mir eingeprägt. Denn es ist schon vorgekommen, dass ich mich in einer schwierigen persönlichen Situation daran erinnert habe und mir diese starken Worte Halt gegeben haben.

Bruder Klaus oder Niklaus von Flüe steht aufgrund seines Jubiläums auch im Mittelpunkt des heutigen ökumenischen Gottesdienstes. Und wie Sie den Gedanken von Pfarrer Lukas Stuck in der gestrigen Zeitung haben entnehmen können, handelt es sich beim Eidgenössichen Dank-, Buss- und Bettag seit seiner Entstehung um einen staatlichen Feiertag. Aus diesem Anlass darf ich Ihnen heute im Namen des Stadtrates einmal mehr ein Grusswort überbringen.

Im Rahmen des 600. Geburtstages von Bruder Klaus habe ich mich wieder einmal – wie viele andere auch – mit seiner Biografie und seinem Wirken auseinandergesetzt. Mir ist beispielsweise nicht oder nicht mehr bewusst gewesen, dass er zehn Kinder gehabt hat oder dass Niklaus von Flüe selber politisch tätig gewesen ist – nämlich als Mitglied des Kleinen Rates, also der Exekutive von Obwalden. Rückblickend hat er einmal gesagt: «Ich war mächtig in Gericht und Rat, ja auch in den Regierungsgeschäften meines Vaterlandes. Dennoch erinnere ich mich nicht, irgend jemand bevorzugt zu haben, so dass ich vom Pfade der Gerechtigkeit abgewichen wäre». Damit meint er das wichtige Gebot der Gleichbehandlung, an das sich die Politikerinnen und Politiker auch in der heutigen Zeit halten müssten.

Dieses Zitat deutet auch seinen grossen Einfluss auf die damalige Eidgenossenschaft und darüber hinaus an. So ist überliefert, dass er 1481 beim so genannten Stanser Verkommnis mit seiner Vermittlung den Zerfall der Eigenossenschaft hat verhindern können. Was sein damaliger Rat konkret beinhaltet hat, ist bis heute nicht bekannt. Das gilt übrigens für zahlreiche Ratschläge von Bruder Klaus, in welchen es oft um eine allgemeine Empfehlung gegangen ist, die Probleme nicht mit Hellebarden, sondern mit Verhandlungen zu lösen. Das mag auch ein Grund dafür sein, dass er als Friedensbotschafter von Anfang an von unterschiedlichen oder gar zerstrittenen Lagern instrumentalisiert worden ist – sei es konfessionell, sei es politisch. In diesem Zusammenhang hat ihn der Aargauer Philosoph Ignaz Troxler als «gutmütigen Liberalen» bezeichnet, leider nicht als «grünen Liberalen»... Diese Vereinnahmung steht selbstredend im Widerspruch zum Credo vom heutigen Sonntag, wonach nicht konfessionelle Grenzen trennen, sondern die gemeinsamen Anliegen im Mittelpunkt stehen sollen. Dieses Gemeinsame, Verbindende ist ganz im Sinne von der eigentlich einfachen, aber effektiven Friedensbotschaft vom Bruder Klaus: «Aufeinander hören» und «Einander folgen».

Geschätzte Anwesende! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen allen im Namen des Stadtrates einen besinnlichen Dank-, Buss- und Bettag. Und ich schliesse meine Grussworte mit dem dritten Vers von Bruder Klaus: «Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.»

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